Erst nach und nach leuchteten verschiedene Lichtquellen den Raum aus: zuerst eine einzelne Kerzenflamme, dann Lichtquellen hinter orangefarbenem Wachs, Stehlampen, dann das Deckenlicht in verschiedener Intensität, weiter die Emporen, dann Spottstrahler...
Schon diese Übung machte bewusst, dass wir Dunkelheit und Licht unterschiedlich empfinden. Dunkelheit kann bedrückend sein und Geborgenheit schenken; Licht kann wärmend und grell wirken.
Wahrnehmen und sich der Wirkung bewusst werden und sich dabei auch der eigenen Vorannahmen bewusst werden, das blieb der Rote Faden durch den Tag.
Wir verglichen verschiedene äussere Lichtquellen und wie ihre Wirkung genutzt wird; zum Beispiel in der Werbung. Eine gemeinsame Collage entstand. Und wir suchten nach Lichtquellen in übertragenem Sinne in uns selbst: nach Gaben, rein nach dem, was wir auf den ersten Blick voneinander sagen übereinander vermuteten.
Äusseres beschreiben und dies übertragen auf Erleben und Gefühle, umgekehrt dieses Innere zum Ausdruck bringen mittels dem, was sichtbar ist. Wie dies in Religion und Kunst geschieht, entdeckten wir nun auf verschiedenen Wegen.
Wir versuchten uns als Dichterinnen und Dichter, indem jemand eine der in den Zeitschriften gefundenen Lichtquellen in Worte fasste, während die anderen bei geschlossenen Augen sich auf das innere Bild konzentrierten, das im Kopf entsteht. Aus einem Augenblick entstanden Geschichten.
Umgekehrt untersuchten wir für welche Lebens- und Glaubenserfahrungen Dichter und Dichterinnen der Bibel das Licht als Metapher einsetzten: Es begegnete uns im Licht so Verschiedenes wie Verwirrung, Wärme, Ordnung, Klarheit, Begabung, Liebe.
Bevor wir uns mit Désirée Antonietti von Steiger der darstellenden Kunst im Museum widmeten, versuchten wir uns selbst als Künstlerinnen in der Stadt, um an einem von Wolken verhangenen Tag mit einem Fotoapparat das Licht einzufangen. Man wurde fündig – der Blick war geschärft.
Auch im Museum erlebten wir eindrücklich die Verschiedenheit im Sehen und Empfinden. Drei Personen beschrieben nacheinander aus dem Gedächtnis dasselbe Kunstwerk –dreimal sahen bzw. hörten wir es anders; und sahen das Bild dann nochmals anders und ganz neu mit den eigenen Augen. Alle suchten sich dann ein Bild aus, in dem Licht eine besondere Rolle spielt, und stellten es der Gruppe vor: Ein Nachmittag zum Zeit vergessen.
Fazit: Licht ist nicht sichtbar. Licht macht sichtbar. Auch begabte, spannende, interessante Mitmenschen.
Alexandra Flury-Schölch