
Überzeugende Künstler, interessiertes Publikum, tolle Ambiance...
Die Solothurner Volkskundlerin Elisabeth Pfluger hat zeit ihres Lebens Geschichten gesammelt und aufgeschrieben, sie ist dabei geistig wach und lebendig geblieben. Unter einer Ständerlampe, aus einem Lehnsessel las sie auf Schloss Waldegg dem zahlreich erschienenen Publikum Geschichten aus ihrer grossen Sammlung. Sie erzählte Heimisches, bisher Heimliches und mitunter Unheimliches in Sagen und Vergangenem unserer Region.
Der Riedholzer Liedermacher Ruedi Stuber, bekannt für seinen Schalk und seine treffenden Verse, illustrierte mit perlenden Melodien einige dieser sehr verschiedenen Begebenheiten.
Die Anwesenden erfuhren zu Beginn mehr über Freud und Leid der Familie Besenval, deren prunkvolle Wohnbauten wir mit Schloss Waldegg und dem Palais in der Stadt heute noch kennen. Aber auch von anderen Menschen und Geschehnissen gab es zu berichten: Von einer Enterbung, die nie rückgängig gemacht wurde, von einer weissen Frau, die im Schloss umgeht, von einer roten Seerose inmitten ihrer weissen Schwestern, von Dellen im Gelände, die sich nie auffüllen, von den Nöten eines Radfahrers in der Einsiedelei, von Geister-Uhren, die künden, von Scheintoten, die wieder aufwachen, vom Glück, Glanz und Elend einer einst weltbekannten Sopranistin, von einer gefrevelten Tanne, die immer noch in einem Unterleberberger Gemeindewappen steht, vom einem übertrieben dargestellten Riesenkalb, das immer kleiner wurde, je näher man einer bestimmten Brücke kam, von einer Bärentatze über einem Hauseingang, von den Raben am Kreuzackerquai und vom scherzhaft so genannten Rabensonntag, der eigentlich ein Montag ist, weil dessen oft schwarz berockte Berufsgattung am Sonntag arbeitet. Mit der berührenden Geschichte der Rentnerin Hermine aus dem Altersheim und einem beim Kiffen erwischten Teenager holte Ruedi Stuber das Publikum zum Abschluss des Abends wieder in die Neuzeit zurück.
Die beiden Kunstschaffenden liessen sich gegenseitig viel Raum zur Wahl der Programmpunkte. Ein Umstand, der dem Abend viel Lockerheit und Spontanität bescherte.
Spätestens mit dem anschliessenden Apero tauchten alle wieder in die Gegenwart ein. Bald plauderten verschiedene Grüppchen angeregt untereinander, mal in der Scheune, mal unter freiem Himmel im Hof des Schlosses. Der unvermutet laue Sommerabend lud zum Verweilen, zum gemeinsamen Austausch ein. Denn auch die x-te Generation nach den Zeiten der Besenvals hat sich viel und gerne was zu erzählen.
Heidi Seiler